brand eins 10/2018

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Titel: Was bleibt … von Verpackungen, Kultur, Überzeugungen, dem Leben

Schwerpunkt: Reste

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer:

Mehr als Müll

•  Man muss nicht lange drum herum reden: Dass die Welt ein Müllproblem hat, ist offensichtlich. Die Bilder von Inseln aus Plastikabfall auf den Meeren sind allgegenwärtig. Und was die Wohlstandsgesellschaft an Textilien, Lebensmitteln oder Verpackungen entsorgt, reichte in anderen Regionen für ein gutes Leben.

Doch Reste sind nicht nur ein Problem, sie sind auch Rohstoff – und Anlass zum Umdenken. Warum zum Beispiel werden in Deutschland gerade mal 36 Prozent der Kunststoff-verpackungen recycelt? Weil es bequemer und für manche einträglich war, den Rest nach China abzuschieben. Seit die Chinesen aber den Import gestoppt haben, kommen Pioniere wie Michael Hofmann zum Zug: Er hat eine Art Waschmaschine für Plastikabfälle entwickelt und kämpfte lange ums Überleben – inzwischen empfängt er Delegationen aus aller Welt. Kunststoff-Recycling entwickelt sich zur Boom-Branche, in die selbst Händler wie Lidl drängen (S. 72).

Aber wäre es nicht viel schlauer, Müll gar nicht erst zu produzieren? Einer der Befürworter ist ausgerechnet Hans-Georg Böcher, Leiter des Heidelberger Verpackungs-Museums. Eine der Ideen zur Müllvermeidung heißt Cradle to Cradle: Wertstoffe sollen von einem Produkt ins nächste wandern, statt auf dem Müll zu landen. Seit Anfang des Jahrtausends wird der -Begriff in Büchern und auf Kongressen verbreitet, doch die Industrie beißt nicht so recht an. Und das hat nicht nur mit Fantasielosigkeit zu tun (S. 66, 44).

Es ist nicht ganz einfach, aus Müll mehr zu machen als Parkbänke oder Blumenkübel. Da müssen noch einige Forscher und Erfinder ran. Oder Designer: Tobias Nolte hat mit seiner Agentur Certain Measures ein Verfahren entwickelt, das zu großen Hoffnungen Anlass gibt. „Wie können maschinelles Sehen und Big Data helfen, einen chaotischen Haufen Schrott in Schönheit zu verwandeln?“, hat er sich gefragt. Inzwischen denkt er darüber nach, selbst -ganze Häuser in Einzelteile zu zerlegen und neu zusammenzusetzen. Auch das sogenannte Urban Mining gilt übrigens als neuer Wachstumsmarkt (S. 50).

Reste sind weit mehr als Müll und lassen sich auch nicht auf den physischen Abfall reduzieren. Die Wohlstandsgesellschaft hat nicht nur Plastiktüten hinterlassen, sondern auch Ideen, Ideologien und viele Fragen. Was zum Beispiel ist von der DKP übrig geblieben? Warum ruhen sich die Verwerter klassischer Musik auf den Resten von gestern aus? Und wieso bleiben so viele Patente ungenutzt (S. 36, 60, 116, 108)?

Was übrig bleibt, kann die Fantasie beflügeln, das belegen nicht zuletzt die Speisekarten der Welt. Liegengebliebenes schafft Arbeitsplätze, bei der Deutschen Bahn kümmern sich mehr als 600 Menschen allein darum. Reste können gefährlich sein, etwa wenn Mittelständler es nicht schaffen, sich von überkommenen Traditionen zu lösen. Und sie können nahezu spurlos verschwinden, das zumindest ist das Schicksal all jener Videos, Podcasts und Texte, die im Internet mit großer Hoffnung und null Resonanz veröffentlicht werden (S. 114, 82, 100, 104).

Reste sind Mahnung und Aufforderung zugleich. Und sie erzählen Geschichten. Jeongja Han hört sie jeden Tag: Sie räumt in Japan Wohnungen von Toten aus (S. 88).

Es lohnt sich, dem, was übrig bleibt, künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. –

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