brand eins 02/2014 (App)

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inkl. 7% USt.

Titel: Die Kunst der Verführung

Schwerpunkt: Werbung

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Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Jagdszenen

• Doch, der Titel war auch intern umstritten. Ja, es gab dezentere Entwürfe. Aber je länger wir in das Thema eintauchten, desto passender fanden wir ihn. Reklame, die mit Witz, Information und Charme um unser Interesse wirbt, wird seltener – dafür begegnet uns immer öfter platte Anmache, die nicht mehr um uns wirbt, sondern uns bedrängt.

Mit dem Internet und der Hoffnung auf den gezielten Schuss wurde eine Jagd eröffnet, der sich kaum noch jemand entziehen kann. Reklame verfolgt uns, stört flimmernd jede Konzentra­tion oder schiebt sich mit atemberaubender Penetranz über einen Text. Da bei dem Geballer ein paar Treffer erzielt werden, wird der anschwellende Unmut als Kollateralschaden abgetan. Und wenn der verfolgte Kunde zurückschießt, gilt das nicht als Warnsignal, sondern als Aufforderung zur Aufrüstung: Du setzt einen Ad-Blocker ein? Dann entwickeln wir ein System, das den Ad-Blocker umgeht. Du zappst in den Werbepausen weg? Dann platzieren wir so kurze Spots im Film, dass sich die Unterbrechung nicht mehr lohnt.

Dass Werbung dadurch immer öfter als Störung, Ärgernis oder im besten Fall als notwendiges Übel empfunden wird, muss Markenverantwortliche ebenso beunruhigen wie Werber mit Qualitätsanspruch. Und es lässt auch uns als Magazinmacher nicht kalt: Wir leben davon. Zwar nur zu 50 Prozent und nicht wie Privatsender, Social-Media-Anbieter oder die meisten Onlinemedien zu 100. Aber ohne Werbung wären wir so tot wie sie; die meisten anderen Printmedien auch.

Wie also konnte es so weit kommen? Wer danach fragt, merkt bald, dass es mehr Opfer als vorsätzliche Täter gibt. Ob Produktmanager, Kreativagentur oder Mediaplaner: Sie alle sind Teil eines Systems, das ihnen zunehmend den Atem nimmt. Und in dem Tricks, Täuschungen und die immer perfidere Daten-Jagd längst als Notwehr durchgehen (S. 96, 106).

Wo all dies genau anfing, ist schwer zu sagen. Ist der Sieg des Controllers schuld? Die Huldigung des Shareholder Value? Oder sind es die vielfach gesättigten und deshalb umkämpften Märkte (S. 36)? Jedenfalls gerieten Markenverantwortliche vor allem in den Konzernen immer stärker unter Kostendruck, suchten nach immer günstigeren Wegen, Umsatz und Gewinn zu steigern. Und fanden Hilfe bei den Mediaagenturen, die als Berater begannen und inzwischen eine schier unangreifbare Marktmacht geworden sind (S. 90). Und die Werbeagenturen? Hängen zwischen Baum und Borke. Auch ihr Markt ist umkämpft, die goldenen Zeiten sind längst vorbei – und ihr Kunde ist von der Vielfalt der Möglichkeiten so verunsichert, dass er am liebsten Nummer sicher bucht: Aufmerksamkeit zum Festpreis, am besten einklagbar (S. 44, 60, 84).

Was dabei herauskommt, nervt – übrigens Kunden, Werber, Markenverantwortliche und Mediaberater gleichermaßen. Es fehlt auch nicht an Ideen, es besser zu machen, nur an der Konsequenz. Noch scheint es effektiver, zu ballern, Anzeigen als redaktionellen Inhalt zu verkleiden oder gleich Journalisten zu kaufen (S. 108). Doch nicht nur, wer wie Opel ganz unten war, weiß: Wer Kunden wirklich überzeugen will, muss glaubwürdig sein (S. 50).

So wirbt diese Ausgabe für gute Werbung. Und auch wir wissen nicht so genau, was das ist. Aber die Faust im Gesicht, da sind wir uns sicher, ist es nicht.

Gabriele Fischer
Chefredakteurin

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