brand eins 08/2003

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Titel: Die selbstverständliche Elite

Schwerpunkt: Eliten

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Lieben Sie das Besondere?

• Haben Sie Vorbilder? Gibt es Menschen, die zu kennen Sie als Glück empfinden? Leistungen, die Sie bewundern? Dämliche Fragen. Vermutlich jeder kennt jemanden, der besonders ist. Der Besonderes leistet. Aufrecht geht und damit aus der Masse ragt. Und doch gibt es kaum ein Volk, das sich dem Gleichheitsgedanken dermaßen verschrieben hat, dass es Herausragendes lieber nivelliert. Ob man sie Leistungsträger nennt. Besserverdienende oder gar Elite – die Nichteinhaltung des Status quo sichert hier zu Lande vor allem: Misstrauen. Wer ausscheren will, braucht Macht oder Geld, um das zu überstehen. Oder Popularität. Sportler, Schlagersternchen oder Moderatoren, die dank Medienpräsenz „ein Gesicht“ geworden sind, sehen sich unversehens mit den Projektionen einer nach Vorbildern suchenden Masse konfrontiert. Überforderung eingeschlossen (S. 52). Mit Elite hat das nichts zu tun. Dass eine Debatte darüber, wer Elite ist oder sein kann, in Deutschland immer einen Beigeschmack hat, hat viele Ursachen und eine Wurzel. Der Nationalsozialismus, der Herrschaft zur Elite verunglimpfte, hat jede Lust auf Differenzierung gelöscht. Wie groß das Missverständnis ist, hat kaum jemand klarer beschrieben als der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch: „Adolf Hitler hatte Fleisch und Blut, aber im Kern saß etwas anderes, nämlich nichts.“ Und dieses Nichts kannte nur eine wahre Bedrohung: Leistung und Werte. Die Kennzeichen einer Elite, die nicht qua Geburt, Stand oder Bankkonto ausgewiesen ist (S. 44). So weit, so gut. Was aber soll eine Eliten-Debatte bringen? Wem soll es nützen, wenn herausragt, was herausragend ist? Geht es um Kunst, genauer um Musik, wird diese Frage kaum jemand stellen (S. 64). Geht es um Wirtschaft, ist die Antwort klar (S. 70). Geht es um Wissenschaft, sind die Folgen der Nicht-Debatte bereits am Rande des Desasters. Das tiefe Misstrauen gegen Hochleister hat längst zu einer Abwanderung kluger Köpfe geführt, die dem Brain Drain in nationalsozialistischer Zeit durchaus vergleichbar ist (S. 58 und S. 82). Dass Jugendliche lieber Popstar als Physiker werden wollen, mag eine Zeiterscheinung sein: Ohne Grund entstanden ist sie nicht. Die Umfrage „Nennen Sie fünf zeitgenössische deutsche Naturwissenschaftler oder fünf vermeintliche Superstars“ ginge ziemlich eindeutig aus. Wozu soll sich der Nachwuchs dann noch mit Bildungsballast quälen (S. 94)? Gründe also gibt es genug, der Elite eine Renaissance zu gönnen. Wobei Elite nicht meint, was sich gemeinhin dafür hält. Die Währung einer selbstverständlichen Elite sind nicht Geld, Senator Card oder Golfclub-Premiummitgliedschaft. Respekt und Anerkennung sind ihr genug. Das könnte ein schöner Nebeneffekt der überfälligen Debatte sein: dass mit der Frage, wer eigentlich Elite ist, auch deutlich wird, wer nicht.

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