brand eins 08/2005

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Titel: Die Mitte

Schwerpunkt: Mitte

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Sind Sie Mitte?

• „Die Mitte ist tot.“ So lautete Ende der neunziger Jahre eine jener Prognosen, die schnell zur akzeptierten Wahrheit avancierten. Denn die Prognose traf mitten ins Herz der trendaffinen Klientel: Mitte? Die braucht sowieso kein Mensch. Denn Mitte ist Mittelmaß, Durchschnitt, Einerlei. Oben, unten und an den avantgardistischen Rändern spielt die Musik, und zwar beim Konsum wie in der Gesellschaft. Heute, fast zehn Jahre später, wird es Zeit für einen zweiten Blick. Sicher, Luxus und Discount scheinen die einzigen noch wachsenden Märkte zu sein, die Mitte als gesellschaftliche Kraft hat scheinbar ausgedient. Stand sie noch in der Nachkriegszeit für jenen Aufstiegswillen, der unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen verband, so steht sie heute bestenfalls für Konfusion: Bunt und zersplittert wirkt sie auf den Charts der Milieuforscher (S. 68). Wie sollen da ein Massenhersteller oder eine Volkspartei noch einen Zielpunkt finden? Nun ist es kaum der richtige Weg, Veränderung mit Streichung zu bestrafen. Nur weil die Mitte nicht mehr so leicht ausrechenbar ist, wie sie war, ist sie noch lange nicht tot. Und das wäre tatsächlich auch ziemlich fatal: Denn von wem sonst sollten die Kraft und der Wille zur Veränderung kommen? Von jenem schmalen Oben, das sich längst von der Gesellschaft abgekoppelt hat? Oder von einem Unten, das sich nicht ohne Grund ausgegrenzt fühlt und seine Kräfte auf das eigene Überleben konzentrieren muss? Die Mitte aber steckt mittendrin. Sie trägt Verantwortung. Sie nimmt Strömungen auf. Sie hat noch Ziele. Und sie tritt dafür ein. Im Grunde, sagt der Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz, sei die Mitte wie der Mittelstand: „Etwas zutiefst Revolutionäres, wie es das Unternehmerische immer ist“ (S. 56, S. 102). Nicht zuletzt deshalb hat sich die Mitte in den vergangenen Jahren immer weiter ausdifferenziert. Das ist schwierig für Konzerne, die wie Unilever auf die große Stückzahl setzen (S. 76). Das ist eine Chance für Unternehmen, die wie die Herrenmodemarke Strellson Differenzierung verkauft (S. 92). Und das ist bitter für die Volkswagen AG, die ihre Zielgruppe im Namen trägt, aber übersehen hat, dass der einst mitte-typische Blick nach oben einem neuen Selbstbewusstsein gewichen ist (S. 84). Dieses Selbstbewusstsein zeigt sich nirgendwo deutlicher als dort, wo die so genannte Avantgarde das Mittelmaß vermutet: in der Provinz. Dort spielt die Mitte ihre Stärken aus. Vielleicht, weil es an Ablenkungen fehlt. Vielleicht aber auch, weil sich in kleineren Einheiten der Blick verändert: Mittendrin ist plötzlich gut (S. 120). Wie wichtig eine Mitte ist, zeigt vor allem der Blick nach draußen. Drei Korrespondenten haben uns Mitte-Sichten aus Brasilien, Russland und China geschickt (S. 128). Nach der Lektüre wirkt der triumphierende Abgesang „Die Mitte ist tot!“ wie eine Drohung. Aber ruhig Blut: Die Mitte hier zu Lande ist ziemlich lebendig. Und was noch besser ist: Langsam merkt sie es.

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