brand eins 12/2011

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Titel: Die Sehnsucht nach dem Echten

Schwerpunkt: Warenwelt

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Mit allen Sinnen

• Kaum jemand wusste Anfang der achtziger Jahre, wie stark die digitale Revolution unser Leben verändern würde. Doch als die ersten Personal-Computer in Büros einzogen, war für die Mahner bereits klar: Die Technik werde Arbeitsplätze vernichten, vornehmlich aber das Gefühl für harte Arbeit und Qualität. Schon die Schreibmaschine habe die Mühsal des Schreibens zu stark erleichtert, beklagte damals unser Journalistik-Lehrer. Aus dem Computer, so seine Prophezeiung, komme nur noch Schrott.Nun ist man bei gelegentlicher Lektüre versucht, dem Mann recht zu geben. Doch alles in allem kam es nicht so schlimm wie gedacht. So arbeiten heute rund zweieinhalb Millionen mehr Deutsche als noch vor 20 Jahren – und die Sehnsucht nach echter, wahrer Qualität ist ungebrochen. Oder besser: Sie nimmt mit fortschreitender Digitalisierung zu.Das liegt sicher daran, dass alles schneller und vieles unübersichtlicher geworden ist, vor allen Dingen aber bleibt der Mensch auch in der digitalisierten Welt, was er ist: Wir ertasten unsere Welt, wir spüren Qualität (S. 46). Und wir empfinden insbesondere als Ware und auch als Besitz, was wir anfassen können.

Das kann zum Problem werden, wenn Waren ganz im Digitalen auf- und untergehen; für Urheberrechtsexperten bleibt da noch eine Menge zu tun (S. 84). Bisweilen hilft auch ein Schritt zurück. So wird manches Digitalmagazin inzwischen gedruckt, und Fantasy Flight Games zeigt, dass selbst "World of Warcraft" nicht nur im Internet funktioniert (S. 132). Auch die Verpackung wird wichtig, und damit sind nicht nur Schachteln und Dosen gemeint: Es geht immer mehr um die Form, in der eine neue Dienstleistung den Kunden erreicht (S. 120).

Für einen wie den Manufactum-Gründer Thomas Hoof sind das allerdings nur letzte Zuckungen einer untergehenden Kultur: Er nutzt seinen Tablet-Computer, solange der Strom noch reicht – und verlegt sich auf Selbstversorgung durch Landwirtschaft (S. 100). Andere trösten sich mit Nostalgie: So mancher Internet-Unternehmer hat sich auf handfeste Produkte verlegt (S. 60), Quarzuhren sind heute Sammlerobjekte (S. 126), Feuerzeuge von S. T. Dupont wieder en vogue (S. 154). Und der Kunstmarkt? Profitiert indirekt von der digitalen Revolution: Wer ins Museum geht, erklärt der Medienkunst-Experte Peter Weibel die zunehmenden Besucherzahlen, "ist froh, dass endlich einmal ein Bild still steht, auf dem sich der gehetzte Blick ausruhen darf" (S. 148).

Dabei ist unbestritten, dass unser Leben mit den neuen Möglichkeiten an Qualität gewonnen hat – oder zumindest gewinnen könnte. Denn so ganz nutzen wir noch nicht aus, was geht, beim digitalen Radio so wenig wie in der Arbeitswelt (S. 70, 78). Dass am Ende alle wie Rainer Wasserfuhr am liebsten im Netz leben und kaum noch in echt, ist nicht zu befürchten (S. 108). Wobei bemerkenswert ist, dass sein Lebensmodell durchaus Parallelen zur Vision des Altmeisters Le Corbusier aufweist, der ohne Computer gelebt und gearbeitet hat (S. 142).

Vielleicht ist die digitale Revolution gar nicht so einschneidend, wie die Mahner einst dachten. Und vielleicht ist es an der Zeit, dem Thema das Kulturkämpferische zu nehmen – und zu genießen, was die virtuelle wie die handfeste Wirtschaft an Vorzügen zu bieten haben. Denn eigentlich sind sich beide nicht so fern: Sie funktionieren am besten mit Sinn für Qualität.

Gabriele Fischer Chefredakteurin

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